Umbau des Burger & Jacoby Klaviers, No. 3977
 

Im Skyline-Quartet spielen wir (mit Ausnahme des Gesangs) ohne Verstärkung. (unplugged) Das Hauptproblem stellt nun das Klavier dar. Leider ist es heute nicht mehr üblich, dass in jeder Lokalität ein gestimmtes Klavier oder ein Flügel zur Verfügung steht. Somit sieht man sich als Pianist sehr oft gezwungen, auf ein Digitalpiano zurück zu greifen. Ganz so einfach habe ich es mir jetzt aber doch nicht gemacht. Ein 'normales' Digitalpiano wird erst dann eingesetzt, wenn der Auftritt im fünften Stock mit Wendeltreppe und ohne Lift stattfindet.
Um auch das Ambiente zu pflegen und neben dem Ohr auch dem Auge etwas zu bieten, habe ich ein altes, defektes Burger & Jacoby Klavier aus dem Jahre 1896 umgebaut. Das Klavier ist heute eigentlich ein Digitalpiano im Klaviergewand. Durch die eingebauten Lautsprecher mit Verstärker klingt das Klavier aber immer noch als eigenständiges Instrument. Dank dem eingebauten Ladegerät und den Akkus ist es auch ohne Stromanschluss spielbar. Untenstehend einige Bilder und Infos vom Umbau des Klaviers. Viel Spass.


... hinter dem Gussrahmen eingeklemmt gefunden - die Inschrift von Adolphe Jacoby, welche das Klavier auf den 26. November 1896 datiert.

Ausgangszustand vor dem Umbau. Dumpf klingendes Klavier (gerissene Resonanzwand), die Mechanik ist ausgespielt und alle Saiten sind extrem verstimmt. Das Klaviergehäuse ist aber für das Alter in einem tadellosen Zustand. Das Gewicht beträgt 231 kg.

Diese Klaviatur aus dem Doepfer Masterkeyboard PK88 wird später ins Klavier eingebaut. Sie gilt als eine der besten gewichteten Tastaturen auf dem Digitalpiano-Markt.


Serie-Nr. 3977 des Burger & Jacoby.

Die ausgespielte Mechanik von Fritz & Mayer, Stuttgart, No. 44920

Mechanik und (Elfenbein-) Tasten werden ausgebaut.

Alle Saiten fein säuberlich abgespannt und beschriftet:
Grund: Ich besitze noch ein identisches Klavier. (Serie-Nr. 9742) Diese Saiten kann ich da evtl. noch brauchen.

Klavierdeckel mit Stemmbeutel schadenfrei entfernt. (war alles geleimt)

Jetzt gehts der defekten Schallwand (Risse) an 'den Kragen'.



Der Gussrahmen ist ausgebaut, die tragenden Pfosten sind durchgesägt.



Auch hier kam die Motorsäge zum Einsatz.



Es wird gehobelt dass die Spähne fliegen ...

Aussen und innen neu lackiert. Innen mit einer Gartenzaunfarbe, welche auch Schädlige fernhalten soll. Aussen Glanz-Klar-Lack.


Für den Einbau der neuen Tastatur, musste das Tastenbrett etwas tiefer ausgenommen werden.


Der wieder montierte obere Klavierdeckel

Auch alle restlichen Holzteile werden gereinigt, abgelaugt und neu lackiert.

Der wohl schwierigste Teil des ganzen Umbaus aus mechanischer Sicht: Die neue Klaviatur musste millimetergenau eingepasst, ausgerichtet und die Seitenteile gekürzt (abgefräst) werden.

Auch die Pedale sollen ihre ursprüngliche Funktion wieder erhalten. Dazu brauchts jetzt elektrische Rollenschalter.

Die erste provisorische Verkabelung aller Komponenten: Doepfer Tastatur, M3 Velocity Transformer von EES, GEM Realpiano Expander, CPA-101 Autoverstärker 2x50W, 4 Stk. Mivoc KX5000 Kugellautsprecher, Netzteil ML50.102 und Entkopplungsmodul MLY02 von PULS Electronic, 2 Stk. Akku 12V / 7.5Ah. Schnell zeigte sich, dass so das Klavier nicht die Lautstärke eines akustischen Klaviers erreichte.

Ein stärkerer Autoverstärker musste her. Der Sound Barrier XA-162 ist mit 400 Watt angeschrieben. In der Auto-Audiobranche wird allerdings gerne gross aufgetrumpft. Auf der Kartonverpackung steht noch: Ausgangsleistung: 2x200 Watt. In der technischen Beschreibung wird schon 'zurückgekrebst'. Da steht als max. Spitzen-Ausgangsleistung nur noch 2x150 Watt. Die Nennleistung ist dann noch mit 2x50 Watt angegeben.

Das Hauptproblem waren aber die Kugelboxen Mivoc KX5000 (360° Tonabstrahlung) welche mit 35W Sinus und 100W Musik angepriesen werden, aber mit obigem Verstärker bereits zerrten. Mit einem Wirkungsgrad (Kennschalldruck 1W/1m) von nur 88 dB waren sie viel zu schwach 'auf der Brust' und zudem war die Basswiedergabe ungenügend. Fazit: Das Klavier erreichte immer noch nicht (unverzerrt) die Lautstärke eines akustischen Klaviers.

Doch die Zeit drängte für die ersten beiden Auftritte als MUSIC-EXPRESS Akustik-Quartett und so blieben die Lautsprecher vorläufig eingebaut. Beim Auftritt musste das Klavier wie erwartet zusätzlich über die PA verstärkt werden.

Hier sind die 4 Kugelboxen zu sehen. Die Kugelboxen hatte ich gewählt, weil ich mir so die homogenste Klangabstrahlung rund um das Klavier erhofft hatte. Die Klangabstrahlung war, wie erwartet, sehr gut, aber wie schon beschrieben, von der Lautstärke und der Basswiedergabe her, ungenügend. Rechts ist der Netzanschluss, das Netzgerät und einer der beiden Akkus zu sehen. So kann das Klavier auch ohne Stromanschluss ca. 3 Std. betrieben werden.

Nach den ersten beiden Auftritten vom MUSIC-EXPRESS Akustik-Quartett, wurden die Lautsprecher ersetzt.

Der Hohlraum des Klaviers wird als Lautsprecher-Box genutzt. Dämpfungsmaterial musste, wie bei Lautsprecherboxen üblich, ebenfalls angebracht werden. Damit werden 'Dröhn'-Frequenzen gedämpft.

Die Breitbandlautsprecher Eminence Beta 12 TC (42Hz - 10kHz / 8 Ohm / 99dB) werden ohne Frequenzweiche direkt am Verstärker betrieben. Die Hochtonhörner Tonsil GTC 12-19/100 (3kHz - 20kHz / 8 Ohm / 105dB) sind über eine selbstgebaute Frequenzweiche (12dB/Oct. / 4kHz) angeschlossen.

Eigentlich wäre diese Lautsprecherkonfiguration in den Höhen zu stark. Durch den Einbau der Hochtöner im Klavier ist der Klang aber rund um das Klavier sehr präsent und ausgewogen. Zudem resultiert durch den Einbau der Hochton-Hörner innerhalb des Klaviers derselbe Effekt wie bei einem akustischen Klavier, wenn man oben den Klavierdeckel öffnet. Der Klavierton wird heller und dominanter.


Das fertige Klavier von hinten. Rechts der Stromanschluss. (AC 100-240V) So kann gleichzeitig gespielt und die Akkus aufgeladen werden.

Mit dieser Verstärker und Lautsprecherkombination entspricht die Lautstärke des Klaviers nun schon bei halb aufgedrehtem Verstärker dem akustischen Vorbild und ist klanglich sehr ausgewogen.


Nicht zuletzt dank dem sehr guten Klavier-Sound des GEM RealPiano Expanders (Softwareversion V1.13) starrten schon viele klavierspielende Gäste ungläubig in das Klaviergehäuse und suchten mit offenem Mund nach Saiten und Hämmerchen ...


Der 'Klavier-Umbauer' Rochus Hobi und sein Klavier. Das Gewicht beträgt nun 120kg. Der Umbau dauerte von Mai 2005 bis September 2005. Vielen Dank für Ihr Interesse.
 
(c) 1. November 2005 by Rochus Hobi